Beschreiben, Vortragen, Verdichten in Wort und Klang, war von Anfang an seine Sache. Das erste Gedicht des im Geestdorf Kropp beheimateten Schülers veröffentlichten die SCHLESWIGER NACHRICHTEN im Dezember 1957. Mit der Geige unterm Kinn strich er einen satten Darm im Schleswiger Domschulorchester, und in der dortigen Domkantorei begeisterte er sich mitwirkend für Händels Messias, das Deutsche Requiem von Brahms, die Krönungsmesse von Mozart, Bachs Motetten, Kantaten und Passionen.

Und im Dorf ging es mit Musik weiter, denn da war Reinald, der begabte Orgelspieler und Pianist! Sie erproben sich an Liedern von Schubert, Schumann, Brahms und Wolf. Eigentlich hätte das Leben ruhig so weiter gehen dürfen!

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LEBEN?

Eishauch draußen auf den Feldern,

Raureif friert die Wiesen hart.

Alle Bäume in den Wäldern

Und die Sträucher an den Wegen

Scheinen unter Silberregen

Ganz zu Filigran erstarrt. 

Zapfen sprießen von den Rinnen

Sacht zur Erde lange Zeit,

Könnten sich fast noch besinnen,

wieder auf das Dach zu klettern,

Wenn die Furcht, tief zu zerschmettern,

Ihnen Kraft dazu verleiht.

Auf den Teichen ruhen Decken,

Spiegelglatt, doch voller Macht.

Die beginnen sich zu recken,

Wollen raue Oden singen

Aus den engen Betten springen,

Dass das Eis in Schollen kracht.

Nennt man nur das Leben ‚Leben‘,

das sich aus dem Warmen speist?

Wenn vor Kälte Dinge streben

Und am Fenster Blumen sprießen,

möchtest du wohl gerne wissen,

wie man dieses Leben heißt!

Das Studium in Marburg, Kiel und Münster löste ganz neue Begeisterungen aus: Griechisch und Latein – Ilias und Odyssee, die Oden des Horaz, Tibull – Properz – Ovid  und ihre Liebeselegien und dazu die ganze Bilderwelt der Antike  bestimmten die Zukunft neu. Derart mit Wissen und Verstehen ausgestattet, reisten die Studenten in klapperigen Kisten und zeltend mit ihrem Doktorvater 1960 erstmals  nach Griechenland und Italien.

Welch ein Glück, das Erlernte berufsmäßig am Römisch-Germanischen Museum in Ausstellungen, bei Ausgrabungen, in Texten für Kataloge, Vorträgen und wissenschaftlichen Aufsätzen über elf ganze Jahre hin anwenden zu dürfen! – Von der ersten Besoldung wurde das Honorar für Gesangsunterricht bei einem der besten Sänger und Hochschullehrer in Köln, Prof. Heinz Marten, abgezweigt. An den Wochenenden war Jörgen Bracker in den Kirchen – so dem Altenberger Dom, in Unna auch und in Köln unterwegs, um sich in Schöpfungen der geliebten Kirchenmusik auszusingen.

Und dann die Wahl zum Direktor und Professor am Museum für Hamburgische Geschichte! Sechsundzwanzig Jahre hat Jörgen Bracker ihm vorgestanden, das ganze große Haus, das größte deutsche Stadtmuseum, unterstützt durch eine begeisterte Crew, mit seinen reichen Schätzen technisch in Ordnung gebracht und inhaltlich neu geordnet.

Sie haben den Hamburgern erstmals nicht nur ein zutreffendes Bild von den Leistungen der Arbeiterbewegung, von den schrecklichen Verbrechen an den Juden und anderen Verfolgten auf dem Boden unserer Stadt, sondern auch von Hamburgs Bedeutung für die und die Einflüsse der Weltarchitektur auf das ‚Venedig des Nordens‘ vermitteln können.

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DICHTER-RICHTER

Sätze tänzeln durch den Raum,

Lauter goldne Worte

Brezeln einen Sahnetraum

Auf die Festtagstorte.

Wau – der Maestro hebt den Blick!

Seine Lippen formen

Sprachgewölle, Wunsch-Kritik,

Sätze vorwärts und zurück.

Wortdunst  sprengt die Normen.

Nein! – Jetzt kommt es über ihn:

Seinem Schlund entrinnen

Zur bezahlten Torte hin

Tausend Tänzerinnen,

Alle tanzen Schwanensee,

Nussgeknackte Suiten,

Pas de deux im Eierschnee

Bald nach Luv und bald nach Lee.

Mehr kann keiner bieten.

Lob bald hier und Schelte dort,

Wie’s der Buchmarkt will!

Buch bleibt  Buch auf jeder Messe:

Comparare non necesse

Spar Dir den Vergleich!

Besser noch: Du hieltst die kesse,

angemaßte Richterfresse,

Dies ist nicht dein Reich!